Beitrag von Ferdinand Fiedler
Liebe Schüler, liebe Lehrkräfte, liebe Elternvertreter, wir gedenken heute am 27.Januar 2015, 70 Jahre nach der Befreiung der Menschen im Vernichtungslager von Auschwitz, durch Soldaten der Roten Armee, den Opfern des Nationalsozialismus.
Das Lager Auschwitz liegt nahe der Stadt Oswiec im Landkreis Bielitz, dem damals annektierten Teil Polens.
Es war eines der Lager, in welchem die Nationalsozialisten Juden und politische Gegner einsperrten und letztendlich in Gaskammern vernichteten. Ihre Zahl liegt bei mehreren Hunderttausend, man spricht von bis zu 1,5 Millionen Menschen.
Im Jahre 1996 wurde dieser Tag zum Gedenken an die Opfer eingeführt.
Die meisten von uns haben diese Zeit zum Glück nicht erleben müssen.
Wenn wir uns mit der Geschichte von Maxdorf beschäftigen, stellen wir fest, dass auch in unserem unmittelbaren Umfeld diese Zeit ihre Spuren hinterlassen hat.
Bei uns gab es kein Lager und der überwiegende Teil der Bevölkerung war auch nicht radikalisiert.
In Maxdorf ließen sich, im Gegensatz zu Lambsheim oder Fußgönheim, auch nur vereinzelt Juden nieder. So gab es auch keine Synagoge wie in den Nachbargemeinden Lambsheim und Fußgönheim. Die Synagoge in Lambsheim wurde Ende 1940 abgerissen. An ihrer Stelle wurde ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet.
Lediglich in Fußgönheim blieb das Gebäude erhalten, 1996/97 aufwendig restauriert und ist heute Teil des Kartoffelmuseums. Die jüdischen Friedhöfe wurden geschändet und teilweise zerstört. An die jüdischen Bewohner erinnern heute nur noch Grabsteine oder Standesamtsregister und Unterlagen in den Archiven.
Im Jahre 1931 wurde in Lambsheim eine Ortsgruppe der NSDAP und 1931/32 auch in Maxdorf eine eigenständige Ortsgruppe gegründet. Durch Mund zu Mund Propaganda, Alltagsgespräche auf der Straße, an Stammtischen, Rufmordkampagnen, Diffamierungen usw. wurde Stimmung gegen Juden, Politiker und Gewerkschaften gemacht.
Waren es am Anfang noch verbale Angriffe, so wurden mit der Zeit handfeste Ausschreitungen und Übergriffe daraus.
Ein Jüdisches Ehepaar, Ludwig und Julie Freiberg, hatte in Lambsheim ein Textil-Gemischtwaregeschäft mit einer Filiale in Maxdorf in der Hauptstraße 38.
Heute ist dort das Bekleidungshaus Koob.
Vor 1933 war die Familie von den Bürgern in Maxdorf geachtet und im Ort integriert.
Dies änderte sich nach der Machtergreifung durch die Nazionalsozialisten und dem folgenden Antisemitismus in der Pfalz.
In den Ortschroniken von Walter Sattel aus Maxdorf und Kurt Kinkel aus Lambsheim kann man zum Thema Juden folgendes Lesen:
Es wurde offen und versteckt zum Boykott der jüdischen Geschäfte aufgerufen. So wurden in manchen Geschäften Schilder mit dem Text „Deutsche kaufen nur bei Deutschen“ ausgehängt.
Es gab verschiedenste Erlasse und Maßnahmen. Ja es gab sogar eine eigens eingeführte Arier-Gesetzgebung.
Wer in den Staatsdienst wollte, musste den Nachweis der arischen Abstammung vorlegen.
Durch diese und weitere Einschränkungen und Behinderungen entzog man den Juden jegliche Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Man machte mit der Feststellung, dass Juden „nicht arisch“ waren, die Lage für sie immer unerträglicher.
Durch die immer bedrohlicher werdenden Ereignisse sah sich die Familie Freiberg nicht mehr in der Lage ihr Geschäft in Maxdorf fortzuführen. 1937 gaben sie ihr Textilgeschäft auf und zogen nach Mannheim.
Ihr Sohn Karl war bereits 1935 in die USA ausgewandert und dort Jurist geworden.
Die Tochter Erika Freiberg ging 1938 von Mannheim in die USA, wo sie im Jahre 1989 auch verstarb.
Das Ehepaar emigrierte 1940 nach Brooklin. Ludwig Freiberg musste dort als Fahrstuhlführer seinen Unterhalt verdienen und war auch auf Unterstützung durch Bekannte angewiesen.
Er starb 1976 in Brooklin. Seine Frau verlor er bereits 1956.
Eine weitere Jüdin, Frau Barbara Streitel und ihr Neffe, Richard Rothschild blieben von einer im Jahre 1940 durchgeführten Deportation verschont.
Barbara war die Tochter des Händlers Simon Rothschild und dessen Frau Fredericke. Sie wohnten ebenfalls in der Hauptstraße in Maxdorf. Auch ihr Haus wurde durch aufgestachelte Parteigenossen verschmutzt und beschädigt.
Die Rothschilds sahen nur in der Flucht aus Deutschland die Chance zu überleben.
Der Sohn, Werner Streitel, wanderte nach 1939 nach Großbritannien aus.
Barbara Streitel wurde nach ihrem Tod 1957 auf dem Judenfriehof in Fußgönheim beigesetzt.
Richard Rothschild, der Sohn der in Ludwigshafen lebenden Eheleute Sally Rothschild und seiner Ehefrau Karharina, kam nach der Deportation von Sally Rothschild zu seiner Tante Barbara Streitel nach Maxdorf. Diese ließ Richard christlich taufen um ihren Neffen vor Anfeindungen und weiteren Diskriminierungen zu schützen.
Die Situation der Juden änderte sich erst nach dem Ende des Krieges.
Richard Rothschild blieb in Maxdorf, heiratete dort und wurde 1998 auf dem Friedhof in Maxdorf nach jüdischem Brauch beigesetzt.
Am 23.04.2024 wurde am ursprünglichen Wohnort in der Heinigstrasse 39 in Ludwigshafen ein Stolperstein für Richard Rothschild und seinen Vater Sally Rothschild verlegt.
Die Juden unserer Nachbargemeinden Fußgönheim und Lambsheim sind in dieser Zeit ebenfalls ausgewandert oder wurden deportiert. Viele von ihnen gelten seither als vermisst, oder wurden getötet.
All diese Ereignisse sind jetzt 70 Jahre her und die Meisten von uns kennen sie nur aus den Geschichtsbüchern. Für uns bleiben dies Geschehnisse, welche lange vorbei sind und doch machen sie, vorausgesetzt man setzt sich mit ihnen auseinander, betroffen.
Wie ist die Situation heute, im Jahre 2015?
Sind wir heute in unserem Denken und Verhalten aufgeschossener und toleranter gegenüber andersdenkender Menschen oder Religionen?
Können wir ausschließen, dass sich solche Ereignisse, mit dem Wissen von heute, nicht wiederholen?
Wenn wir uns die Geschehnisse um uns herum ansehen bleiben Zweifel.
Es wäre zu wünschen, dass jeder von uns die Fähigkeit besitzt, diese Dinge zu erkennen und den unbedingten Willen einen Wiederholung solcher unmenschlichen Verhältnisse nicht mehr zuzulassen.
Es liegt an jedem Einzelnen sich einzubringen und aktiv daran mitzuwirken, dass Ereignisse wie damals sich nie mehr wiederholen.
Erst wenn dies geschieht und wir uns entsprechend verhalten, ist es nicht nur eine Geschichte, nein, erst dann wird die Erinnerung an diese Zeit wirklich Geschichte sein.